Angetrieben von den „Fast-Track-Vorschriften“ der National Highway Transportation Safety Commision (NHTSA) wird in den nächsten Jahren eine ganz neue Generation von vernetzten „Smart Cars“ eingeführt werden. Diese neuen Fahrzeuge werden in ständiger drahtloser Kommunikation sowohl untereinander als auch mit einem Netz von Verkehrsmanagement-Zentralen stehen. Dabei entsteht ein Strom von Echtzeit-Informationen über die Verkehrsbedingungen. Nach der vollständigen Umsetzung soll es nicht nur weniger Verkehrstote geben, sondern auch weniger Staus und gleichzeitig erhebliche Einsparungen an Zeit, Geld und Kraftstoff.
Sie sind wahrscheinlich schon mit drahtloser Kommunikation von einem Fahrzeug zu einer festen Bodenstation vertraut. OnStar von GM gibt es schon seit 1995 und bietet CDMA-Mobilfunktechnologie für die Sprach- und Datenkommunikation. In jüngerer Zeit führten Ford, Chrysler und BMW Systeme ein, die Zugang zu einer Vielzahl von Sicherheits-, Komfort- und Infotainment-Diensten ermöglichen. Doch die nächste Generation der Smart Cars wird weit über diese proprietären Systemen hinausgehen.
Vehicle-to-Infrastructure (V2I)-Systeme ermöglichen Fahrzeugen die drahtlose Kommunikation mit Ampeln, Verkehrsschildern und anderen Infrastrukturelementen. Vehicle-to-Vehicle (V2V)-Kommunikation ermöglicht Fahrzeugen, direkt miteinander zu „sprechen“ und dabei Informationen über Geschwindigkeit, Richtung und Position auszutauschen. Zusammen werden die beiden Systeme als V2X bezeichnet.
Abbildung 1: Fahrzeug-Sicherheitsszenarien mit V2X (Quelle: IEEE.org)
Eine NHTSA-Bericht schätzt, dass ein V2V-System bei bis zu 79 Prozent der potenziellen Verkehrsunfälle von Nutzen wäre und dass V2I-Systeme bei 81 Prozent aller Unfälle schadensmindernden Einfluss hätten.
Wie könnten Fahrer von intelligenten, vernetzten Fahrzeugen profitieren?
• Unterstützung beim Spurwechsel: Intelligente Fahrzeuge wären in der Lage, den Fahrer beim Spurwechsel zu unterstützen, wenn dessen Sicht eingeschränktz ist. Mit V2V-Kommunikation könnten Fahrzeuge die Fahrer entgegenkommender Autos warnen, um Frontalzusammenstöße zu verhindern.
• Unterstützung an Kreuzungen: Intelligente Fahrzeuge wären über entgegenkommende Fahrzeuge informiert, die sich einer Kreuzung nähern, und könnten den Fahrer warnen oder die Bremsen betätigen.
• Weniger Staus: Das V2I-System würde Fahrer vor Verkehrsstaus warnen, wodurch Unfälle und Verkehrsbehinderungen minimiert würden. Ein geplantes Netz von Verkehrsmanagementzentralen (TMC) würde mit jedem Fahrzeug über WLAN, eigene Nahbereichskommunikationssysteme (DSRC), Satelliten oder zelluläre Systeme kommunizieren. Intelligente Ampeln könnten abhängig vom Verkehrsmuster innerhalb eines ausgedehnten Bereichs schalten und Verkehrsstaus insgesamt minimieren.
• Zeit- und Geldersparnis: V2I könnte dazu beitragen, die Menge des in Verkehrsstaus vergeudeten Kraftstoffs zu verringern, die vom Fahrer im Auto verbrachte Zeit zu verkürzen (rund 5,5 Mrd. Stunden im Jahr) sowie den Kraftstoffverbrauch insgesamt um 6 Milliarden Liter zu senken.
• Erweiterte Sicherheitsanwendungen: Intelligente Fahrzeuge könnten den Fahrer vor liegengebliebenen oder geparkten Fahrzeugen warnen oder wenn ein Fahrzeug plötzlich angehalten oder gebrenst wird oder wenn sich das Verkehrsmuster abrupt ändert.
Diese Systeme werden voraussichtlich schneller Realität als man denkt. GM-Chefin Mary Barra kündigte im September 2014 auf dem Intelligent Transport System World Congress in Detroit an, dass im Cadillac CTS des Modelljahrs 2017 bereits V2V-Technologie integriert sein wird. Das System wird von Delphi mit Anwendungssoftware von Cohda Wirelss und dem NXP-Wireless-Chipsatz geliefert. Im Mai 2012 kündigte US-Verkehrsminister Anthony Foxx einen verkürzten Zeitplan für den NHTSA-Vorschlag an, V2V-Ausrüstung für neue Fahrzeuge zur Pflicht zu machen.
Datenschutz und Sicherheit
Natürlich hat ein vernetztes Fahrzeug neben vielen Vorteilen auch Nachteile. Datenschutz und Sicherheit sind Aspekte, die noch nicht wirksam angegangen wurden. Die Probleme werden sich ausweiten, je mehr sich die Wireless-Konnektivität ausbreitet.
Der Datenschutz beim Fahren ist bereits gefährdet, auch bei heutigen Fahrzeugen. Laut einem Bericht des US-Senats aus dem Jahr 2015 bieten 50 Prozent der Autohersteller Technologien an, die Routenverlaufsdaten sammeln und drahtlos an Datenzentren übertragen, auch an Datenzentren von Drittanbietern. Die erfassten Daten variieren im Detail je nach Hersteller. Möglich sind aktueller Standort, Fahrzeuggeschwindigkeit, letzte Parkposition sowie Fahrzeiten und -strecken.
Abbildung 2: Prozentualer Anteil der Automobilhersteller, die Routenverlaufsdaten erheben und übermitteln. (Quelle: Büro des Senators Edward Markey)
Im Hinblick auf die Sicherheit muss gesagt werden, dass die meisten existierenden Fahrzeugnetzwerke nicht mit Schwerpunkt auf Sicherheit entwickelt wurden. Nach Ansicht von Experten auf einer kürzlich stattgefundenen Cyber-Konferenz haben die meisten Fahrzeuge über 50 gefährdete „Angriffspunkte“.
Wir sprechen hier nicht nur über Drahtlosverbindungen. Moderne Fahrzeuge enthalten bis zu 50 Embedded-Controller, die miteinander über lokale Netzwerke, wie beispielsweise Controller Area Networks (CAN) und Local Interconnect Networks (LIN) kommunizieren. Mit 100 Millionen Zeilen nimmt sich das Gesamtvolumen des Codes, der gesichert werden muss, gegenüber dem Volumen in anderen komplexen Anwendungen geradezu winzig aus, wie in Abbildung 3 gezeigt.
Abbildung 3: Vergleich des Softwarevolumens anhand der Anzahl von Programmzeilen (Quelle: Delphi)
Die Folgen eines Sicherheitsversagens können finanzieller Natur sein, wie etwa beim Diebstahl eines Autos, oder sogar fatal. In einer Studie aus dem Jahr 2013, die von der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) finanziert wurde, demonstrierten zwei Forscher, wie sie mit einem Laptop die Computersysteme zweier verschiedener Fahrzeuge unter Verwendung eines Kabels zusammenschlossen und über den CAN-Bus Befehle an verschiedene Steuergeräte schickten. So gelang es, den Motor, die Bremsen, die Lenkung und andere kritische Fahrzeugkomponenten zu steuern. In jüngerer Zeit verschafften sich Hacker Fernzugriff auf ein Fahrzeug auf der Autobahn. Es gelang ihnen, den Motor abzustellen.
Wenn solche Probleme entdeckt werden, können sie in der Regel durch einen Sicherheits-Patch behoben werden, wie es in den Beispielen der Fall war. Dennoch ist mehr Problembewusstsein erforderlich. Viele der gleichen Fragen stellen sich der IoT-Community. Deshalb wird eine Menge Energie in die Entwicklung robuster, standardisierter Verschlüsselungs- und Authentifizierungslösungen investiert.
Neben der direkten Bedrohung für das Fahrzeug sorgen sich Automobil-Zulieferer (und ihre Anwälte) um andere sicherheitsrelevante Bereiche. Dazu zählen:
• Sicherheit von mobilen Medieninformationen wie urheberrechtlich geschütztem Video- und Audiomaterial, das im Auto verwendet wird,
• Sicherheit von Fahrzeugparametern wie Motorkalibrierungen, Kilometerstand usw.
• Genauigkeit und Gültigkeit von Fahrzeugparametern wie Fahrzeuggeschwindigkeit,
• Integrität der Emissionskontrollsysteme und
• Erkennung von gefälschten Steuergeräten.
V2I- und V2V-Technologie im Überblick
V2V und V2I ließen lange auf sich warten. Im Jahr 1999 gab die Federal Communications Commission (FCC) einen 75 MHz breiten Bereich im Spektrum des 5,9 GHz-Bandes (5,850 bis 5,925 GHz) für intelligente Transportsysteme (ITS) frei. In Europa folgte das ETSI mit einer 30-MHz-Zuteilung im Jahr 2008.
Aus technischer Sicht unterscheiden sich DSRC-Systeme für V2V/V2I von herkömmlichen Mobilkommunikationssystemen in mehrfacher Hinsicht:
1) Benutzer (Fahrzeuge) können miteinander kommunizieren, ohne sich auf eine dedizierte Koordinierungseinheit (Basisstation oder Access Point) zu verlassen.
2) Sowohl die Quell- aus auch die Zielstationen sind mobil und können sich mit hohen Fahrzeuggeschwindigkeiten bewegen (> 120 km/h).
3) Die Kommunikation zwischen den Benutzern erfolgt ebenerdig, sodass die Effekte der dreidimensionalen Streuung signifikant werden.
4) Die Reichweite des Systems ist gering, in der Regel etwa 400 Meter.
Diese Unterschiede verlangen die Entwicklung neuartiger Transceiver für V2V-DRSC-Systeme, die einen höheren spektralen Wirkungsgrad unter schwierigen Ausbreitungsbedingungen erreichen.
Die Ergänzung IEEE 802.11p zu IEEE 802.11 (WLAN-Norm) definiert Verbesserungen zur Unterstützung von ITS. Anstelle der 20-MHz-Kanäle wie bei 802.11 werden 10-MHz-Kanäle verwendet. Die Hälfte der Bandbreite entspricht der doppelten Übertragungszeit für ein bestimtes Datensymbol. Dies ermöglicht es dem Empfänger, die Eigenschaften des Funkkanals in Fahrzeug-Kommunikationsumgebungen besser zu managen. Zu den störenden Faktoren gehören beispielsweise Signalechos von anderen Autos oder von Häusern.
Aufgrund der unter Umständen sehr kurzen verfügbaren Zeit für die Kommunikation sind die Authentifizierungs- und Datenvertraulichkeitsmechanismen von IEEE 802.11 nicht geeignet und müssen daher von höheren Netzwerkschichten übernommen werden. Die Normenreihe IEEE 1609 für den drahtlosen Systemzugang in Fahrzeugumgebungen (Wireless Access in Vehicular Environments, WAVE) definiert eine Architektur und einen komplementären Satz von Protokollen, Diensten und Schnittstellen, die zusammen eine sichere V2V- und V2I-Kommunikation ermöglichen.
Abbildung 4: Funkmodul NXP/Cohda MK5 802.11p (Quelle: NXP/Cohda Wireless)
Der Halbleiterhersteller NXP zeigte im Januar auf der Consumer Electronics Show (CES) seine sichere Technologie für vernetzte Fahrzeuge. Der Chipsatz NXP RoadLINK™, die Basis für die V2X-Kommunikationsdemonstration, ist klein genug, um in die Flossenantenne auf einem Fahrzeugdach zu passen, und verwendet eine Multi-Standard-ITS-Architektur, einschließlich Sicherheit nach IEEE 1609.2 für Schlüsselspeicherung und Nachrichtensignierung.
Das MK5-Funkmodul in Abbildung 4, gemeinsam entwickelt von NXP Semiconductors (Hardware) und Cohda Wireless (Firmware), umfasst den SAF5100EL-Transceiver, zwei 5,9-GHz-Antennen sowie USB-, SPI- und GPIO-Schnittstellen. Es misst 30 mm x 40 mm x 4 mm, einschließlich der HF-Abschirmung. Der Transceiver umfasst ein Software-Defined-Radio mit PHY und MAC nach IEEE 802.11p.
Die nächste Stufe: autonome Fahrzeuge und V2X
Eine weitere potenziell revolutionäre Entwicklung im Bereich intelligenter Fahrzeuge ist das autonome Fahrzeug, das in der Lage ist seine Umgebung zu erfassen und ohne menschlichen Eingriff zu navigieren. Die NHTSA hat ein formelles Klassifizierungssystem für autonome Fahrzeuge vorgeschlagen, das von Stufe 0, wo der Fahrer das Fahrzeug immer ganz allein steuert, bis zu Stufe 4, in dem das Fahrzeug alle sicherheitskritischen Funktionen für die gesamte Fahrt übernimmt und vom Fahrer zu keinem Zeitpunkt ein Eingreifen erwartet wird. Beachten Sie, dass „autonom“ im Jargon der Automobilhersteller nicht dasselbe ist wie „selbstfahrend“. Der zweite Begriff impliziert vollständige Unabhängigkeit (d. h. kein Lenkrad oder sonstige Bedienelemente).
Die nächste Gattung intelligenter Fahrzeuge zeichnet sich schon am Horizont ab. Google führt in San Francisco bereits Tests seiner autonomen Autos durch, die bereits 500.000 Kilometer zurückgelegt haben, darunter 80.000 Kilometer ohne Intervention des Fahrers. Der einzige dokumentierte Unfall war ein Blechschaden, der bei Steuerung durch einen Menschen auftrat.
Bis 2016 plant Mercedes, seinen „Autobahn Pilot“ einzuführen, der das freihändige Fahren auf der Autobahn mit autonomem Überholen anderer Fahrzeuge ermöglicht. Für dasselbe Jahr erwartet auch das Technologie-Unternehmen Mobileye die Vorstellung einer Technologie für das freihändige Fahren auf Autobahnen. Auch abgesehen von der Technologie müssen zahlreiche Fragen noch gelöst werden, einschließlich der Haftung für Schäden, der Lizenzierung und der Skepsis der Fahrer.
Es wird erwartet, dass autonome Fahrzeuge V2I- und V2V-Technologien vollständig integrieren, sobald diese verfügbar sind. Wenn dieser Tag kommt, werden wir vielleicht endlich in der Lage sein, uns am Abend eines anstrengenden Tages auf dem Weg nach Hause mit einem Glas Wein zu entspannen oder ein Nickerchen zu halten.