Automobile gibt es bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts, doch erst in den letzten Jahrzehnten hat sich Elektronik zu einem wesentlichen Element der Automobilbranche entwickelt. Heute liegen die Automobilhersteller nicht nur mit ihren Mitbewerbern in einem Konkurrenzkampf, sondern auch mit Technologie und Zeit. Mit dem Fortschritt der Technologie stieg auch die Fähigkeit, Silizium und Sensoren in die Fahrzeuge zu integrieren: Diese sind heute preisgünstig und klein genug, um zahlreiche elektronische Steuerungen (Electronic Control Units, ECU) im gesamten Fahrzeug eingesetzt werden können. Mit fortschreitender Technik wird erwartet, dass Fahrzeuge in gleichem Maße mit hochmoderner Elektronik ausgestattet werden wie die Unterhaltungselektronik. Und hier liegt die große Herausforderung: CPU- und GPU-basierte ECUs können aufgrund von mehrjährigen Chipentwicklungszyklen und strengen Qualitäts- und Zuverlässigkeitsqualifikationen in der Automobilbranche nur schwer mit der Unterhaltungselektronik Schritt halten. FPGAs könnten eine entscheidende Rolle dabei spielen, diese Lücke zu schließen, denn sie sind sehr leistungsstark und bieten Systemarchiktekten die Flexibilität, ihre Entwicklungen mit der flexiblen (programmierbaren) FPGA-Struktur an die jeweiligen Anforderungen anzupassen. Und da FPGAs immer leistungsstärker und günstiger werden, ist das Ziel bereits in Sicht.
Michael Hendricks, Automobil-Warengruppenmanager bei Altera, hat den Großteil seiner Karriere damit verbracht, modernste Fahrzeugsteuerungen zu entwickeln und zu untersuchen. In dieser Zeit stellte er fest, dass die Unterhaltungselektronik neue Maßstäbe für die Automobiltechnologie setzt. Er erklärt das folgendermaßen: „Als Verbraucher haben wir uns an die unglaubliche Innovationsgeschwindigkeit gewöhnt, die die wichtigsten Smartphonehersteller vorgeben, die alle 18 Monate neue Modelle auf den Markt bringen. Wie wurden so konditioniert, dass wir die gleiche Leistungen, Funktionen und hochaufgelösten Displays auch in unseren Autos erwarten, obwohl viele Personen ihr Auto über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg nutzen.“ Dies stellt eine riesige Herausforderung für Automobilhersteller dar, da sie eine Fahrzeugtechnologie entwickeln müssen, die die gesamte Lebenszeit des Produkts relevant bleibt. Hendricks weist darauf hin, dass es zwar häufig unmöglich ist, die Technologie in älteren Autos auf den neuesten Stand zu bringen, die nicht mit diesen Funktionen ausgestattet waren, aber dass Autobauer heute immer häufiger programmierbare elektronische Systemarchitekturen einsetzen, um mit den technologischen Innovationen Schritt halten zu können.
„Wenn Sie die Leistungen moderner Unterhaltungselektronik (z. B. von Smartphones) mit der eines Infotainment-Systems für Fahrzeuge vergleichen,“ fährt Hendricks fort, „erwarten Sie von Ihrem Infotainment-System die gleichen Leistungen, die sie von Ihrem Smartphone gewöhnt sind.“ Daher sind elektronische Upgrades heute in der Autoherstellung einfach nicht mehr wegzudenken. Eine Hersteller haben bereits damit begonnen, ihre Hardware häufiger auszutauschen. Hendricks erwähnt beispielsweise, dass „Unternehmen wie BMW früher nur alle fünf Jahre eine neue Head Unit auf den Markt brachten, heute dagegen alle zwei Jahre.“
Der Schlüsselfaktor der Entwicklung von FPGAs ist ihre Programmierbarkeit. Die Software in einem CPU kann aktualisiert werden, das Silizium eines Computerchips hingegen nicht. Herr Hendricks erklärt, dass „der verstärkten Einsatz programmierbarer Steuerungen Soft- und Hardwareupdates ermöglicht. FPGAs ermöglichen eine unbegrenzte Neukonfiguration bzw. Neuprogrammierung für verschiedene Funktionen.“ Viele der heute verkauften Fahrzeuge verfügen über eine Software, die zahlreiche Funktionen steuert, die für die Fahrleistungen erforderlich sind. „Das Model S von Tesla unterstützt bereits drahtlose Softwareupgrades über eine 3G-Verbindung,“ fügt Hendricks hinzu.
Fahrzeugsoftware kann bereits aktualisiert werden, um sie auf die jeweiligen funktionalen Anforderungen abzustimmen. Programmierbare logische Bauteile von FPGAs gehen noch einen Schritt weiter. Hier kann die Logik hinter der Codeausführung bei Bedarf aktualisiert werden, was die Siliziumfunktion in manchen Bereichen effizienter macht. „Durch diese Möglichkeit,“ fährt Hendricks fort, „helfen FPGAs den OEMs, durch ein konfigurierbares oder neu programmierbares Hardwarearchitektursystem mit den neuesten Trends Schritt zu halten.“ Die elektronischen Funktionen eines neuen Fahrzeugs bleiben länger relevant, da Händler und Wartungszentren neue Software- und Hardwareupdates vornehmen können. Da ein Fahrzeug durch die ständige Größen- und Preisreduzierung auch mehrere FPGAs enthalten kann, kann die Software verschiedenster Fahrzeugfunktionen aktualisiert werden. „Natürlich bleibt die Sicherheit höchste Priorität“, erklärt Hendricks. „Vorreiter in diesem Bereich war Altera – als erster Anbieter von FPGAs mit der Zertifizierung IEC 61508 für funktionale Sicherheit, die die Grundlage der Norm für sicherheitsrelevante elektrische/elektronische Systeme in Kraftfahrzeugen (ISO 26262) darstellt.“
Die Videobildschirme von Infotainment-Centern und Dashboards können heute nach Bedarf aktualisiert werden. Diese Einheiten enthalten ECUs, die ihre Funktionen steuern. Doch dies sind nicht die einzigen Einheiten, in denen ECUs eingesetzt werden: Funktionen wie Servolenkung, Kraftstoffüberwachung, Datenmessung, Zentralverriegelung und elektrische Fensterheber werden alle durch eine im Fahrzeug eingebaute ECU gesteuert. „In den Luxusmodellen der modernen Daimler S-Class sind über 100 ECUs eingebaut. Die Unterstützung so vieler ECUs, jede mit eigenem Mikrocontroller oder Mikroprozessor, ist sehr kostspielig,“ fügt Hendricks hinzu.
Die Ingenieure, die neue Fahrzeuge entwickeln, achten darauf, die Gesamtanzahl von ECUs zu begrenzen, da diese den Gesamtpreis des Fahrzeugs in die Höhe treiben. Zudem verbrauchen ECUs viel Energie, die das Fahrzeug effizienter nutzen könnte. Mit der fortschreitenden Entwicklung von FPGAs ist es interessanter, Elektronik im Fahrzeug zu kombinieren. „Der Trend geht hin zu Sensorfusionen und zentralisierten Architekturen – insbesondere bei Fahrerassistenzsystemen. Derzeit besteht die Herausforderung darin, eine reine CPU-basierte Architektur zu implementieren. Es kristallisiert sich ein hybrider Ansatz mit CPUs und GPUs in Kombination mit SoC FPGAs heraus,“ erklärt Hendricks.
ARM zufolge geht man davon aus, dass die Rechenleistung von Fahrzeugen in den nächsten 9 Jahren um das 100-fache steigen wird. „Der FPGA-Vorteil besteht in der Kombination des vielfältig konfigurierbaren und programmierbaren Siliziums mit einer sehr breiten Verarbeitungsarchitektur, die es Tier 1 und OEM-Entwicklern ermöglicht, ihre Algorithmen ständig weiterzuentwickeln und die Entwicklungen bis hin zur Produktionsfreigabe weiter zu optimieren,“ erläutert Hendricks. Die Logik kann also nicht nur in der Konzeptionsphase, sondern auch nach der Fertigung noch aktualisiert werden. Hochspezifische Anwendungen können überwacht und an die Kundenbedürfnisse angepasst werden.
FPGAs werden heute in verschiedenen Sonderanwendungen eingesetzt. Eine besonders futuristische ist das virtuelle Cockpit. „Im Fahrzeug wird ein virtuelles Cockpit geschaffen, bei dem analoge Messinstrumente und Skalen in neukonfigurierbare digitale Displays umgewandelt werden, beispielsweise im Kombiinstrument,” erklärt Hendricks. Geschwindigkeit und Verbrauch werden dann nicht mehr auf dem Dashboard angezeigt, sondern in der Windschutzscheibe. Dies ermöglicht die Anzeige relevanter Informationen und macht die Geräte interaktiver. „Wir bewegen uns weg von den herkömmlichen kapazitiven Touchscreens und hin zu neuen Arten der MMI-Steuerung, z. B. Gestenerkennung, Laufzeitkameras und Flugsensoren, die eine Steuerung der Fahrzeugelektronik mit kleinen Handbewegungen ermöglichen,“ prognostiziert Hendricks.
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Auf niedrige Latenz kommt es an. Ein Hardwaretrend in modernen Fahrzeugen besteht im verstärkten Einsatz von Rückfahrkameras mit Displays, die in Rückspiegel und Head-Unit-Konsolen integriert sind. Im Rückwärtsgang projiziert das zentrale Informationsdisplay Aufnahmen der Rückfahrkamera, so dass der Fahrer beim Rückwärtsfahren den gesamten Bereich hinter dem Fahrzeug sieht. Voraussetzung für solche Systeme ist es, dass dem Fahrer beim Anlassen des Fahrzeugs Sofort das Live-Video der Rückfahrkamera angezeigt wird und ihm ein sicheres Rückwärtsfahren ermöglicht. Hendricks wählt dafür Alteras innovative MAX 10 FPGA-Serie: „FPGAs starten einfach schneller. Die Max 10 FPGAs von Altera verfügen über einen integrierten Flashspeicher ermöglichen Start und Bildanzeige im zwei- oder dreistelligen Millisekundenbereich.“ CPUs bieten diesen Vorteil einer kurzen Startzeit hingegen nicht. „Bei herkömmlichen CPU-Architekturen beträgt die Startzeit mehrere Sekunden. Das ist für einen Fahrer, der zurücksetzen muss und auf die Anzeige des Bildes der Rückfahrkamera wartet, einfach zu lang“, erläutert Hendricks. FPGAs verkürzen die Startzeit enorm, was sie zu einer besseren Lösung für Rückfahrkameras macht.
Auf dem Weg in die Zukunft selbstfahrender Fahrzeuge stehen Sicherheit und Lebensqualität im Mittelpunkt. Frontkameras in Fahrzeugen werden heute für zahlreiche Anwendungen eingesetzt, wodurch zahlreiche komplexe Verarbeitungsschritte entstehen. „Bei Fahrerassistenzsystemen geht die Tendenz hin zu einer stark analysebasierten Architektur mit einer Kombination von Sensoren wie Kamera, Radar und LIDAR. Mit diesen modernen Sensoren und einer Sichtanalyse werden weitere Funktionen wie automatische Notbremsung, Verkehrszeichenerkennung, Fußgängererkennung und Spurhalteassistent Wirklichkeit,“ fährt Hendricks fort. Viele dieser Funktionen werden durch das Aufkommen von Convolutional Neural Networks (CNNs) ermöglicht – eine Art künstliches neuronales Netzwerk (Feed-Forward-Netz), das zur Bild- und Videoerkennung verwendet wird. Wenn FPGAs in die ECUs des Fahrzeugs integriert sind, kann es zur Verarbeitung der Bilder der Fahrzeugkamera CNN-Algorithmen verwenden.
„In den Sichtanwendungen der Fahrerassistenzsysteme können CNNs zur Identifizierung und Klassifizierung von Gegenständen rund um das Fahrzeug dienen. So kann ein CNN-Algorithmus beispielsweise bestimmen, ob das Objekt vor dem Fahrzeug ein Fußgänger, ein Radfahrer, ein Tier, ein Verkehrszeichen oder etwas anderes ist“, erklärt Hendricks. Dann kann die Kamera die fundierte Entscheidung treffen, den Fahrer über das sich nähernde Objekt zu informieren oder sogar die Maschinensteuerung des Fahrzeugs aktivieren, um bei einem Unfall auszuweichen. Dies kann auch bei Ampeln und Verkehrszeichen angewandt werden, wodurch das FPGA intelligente Entscheidungen treffen und die Sicherheit der Fahrzeuginsassen gewährleisten kann. Die Ausführung solcher komplexer Algorithmen kann eine hohe Rechenleistung erfordern. Daher sind Stromverbrauch und Wärmeableitung entscheidende Faktoren für ECUs im Kleinformat, die nicht über eine Lüftung oder eine aktive Kühlung verfügen, um die Wärme, die durch die Elektronik entsteht, abzuführen. Laut einem neueren Microsoft-Whitepaper laufen die FPGAs von Altera mit einem Bruchteil der Leistung eines GPUs für vergleichbare CNN-Datensätze.
FPGAs werden anstelle von CPUs wie auch in Kombination mit diesen eingesetzt: als schnellere, effizientere Lösung für hunderte von ECUs in einem Fahrzeug. FPGAs bieten mehr Wattleistung, höhere Skalierbarkeit und bessere Anpassungsmöglichkeiten. Hendricks ist überzeugt: „FPGAs können durch Integration, Reduzierung externer Komponenten, schnellere Markteinführungszeit und einen vereinheitlichten Entwicklungsprozess zur Senkung der Gesamtbetriebskosten beitragen. „Durch die Implementierung von FPGAs kann die Anzahl der ECUs reduziert werden. Unternehmen wie Tesla und Audi verwenden bereits SoCs und FPGAs der Cyclone-Serie von Altera in ihren Infotainment- und Fahrerassistenzsystemen, um die Kommunikation zu optimieren und die Leistung zu steigern. Programmierbaren logischen Bauelementen steht in der Automobilindustrie eine blühende Zukunft bevor: In erweiterten Verarbeitungsfunktionen wie selbstfahrenden Autos, Head-Up-Displays mit Augmented Reality und Verfahren der künstlichen Intelligenz werden diese hochmoderne FPGA-Technologien wohl weiter zunehmend eingesetzt werden.