In weniger als einem Jahrhundert seit ihrer Einführung im Jahr 1936 hat die traditionelle Datenverarbeitung fast jede Branche auf der Welt revolutioniert. Im Zuge der Weiterentwicklung der Informationstechnologie dürfte die „künstliche Intelligenz“ (KI) oder englisch auch Artificial Intelligence (AI) die nächste Innovationswelle antreiben.
Angesichts des Innovationstempos im KI-Bereich treten die Beschränkungen der herkömmlichen Datentechnik schnell zu Tage. Denn KI kratzt an den bestehenden Grenzen von Rechengeschwindigkeit und Energieeffizienz. Komplexe Software-Anwendungen – beispielsweise in autonomen Fahrzeugen, der Simulation chemischer Reaktionen oder bei dynamischen 3D-Simulationen – stellen die Leistung herkömmlicher Computertechnik ständig vor Herausforderungen.
Deshalb beleuchten wir die grundlegenden Unterschiede zwischen Quantencomputing und herkömmlicher Computertechnik. Wir untersuchen das Potenzial von Quantencomputing zur Verbesserung von KI-Algorithmen in autonomen Fahrzeugen und anderen computerintensiven Software-Anwendungen.
Was ist Quantencomputing?
Quantencomputing ist nicht als Ersatz des traditionellen Computings gedacht. Traditionelle Computer erledigen die meisten Computingaufgaben tatsächlich besser als Quantencomputer. Quantencomputer eigenen sich dagegen wesentlich besser zur Lösung schwieriger Computingprobleme.
Herkömmliche Computer verarbeiten Daten mithilfe von binären Transistor-„Bits“ (d. h. 0 oder 1). Dagegen nutzen Quantencomputer sogenannte Quantenbits oder Qubits, die drei verschiedene Zustände repräsentieren. Der dritte Zustand eines Qbits wird als „Superposition“ bezeichnet. Sie ermöglicht es Qbits, gleichzeitig eine 0 und eine 1 darzustellen.
Durch die Superposition als dritten Zustand steigt die Rechenleistung beim Quantencomputing exponential mit der Anzahl der Qubits, während die Leistung bei herkömmlichen Transistorbits nur im Verhältnis 1:1 zur Anzahl der Bits zunimmt. Mit zwei klassischen Bits ergeben sich beispielsweise vier mögliche Wertekombinationen (00, 01, 10, 11).
Dagegen können Qubits in einer Superposition von vier Zuständen existieren, wodurch zwei Qubits insgesamt acht verschiedene Zustände annehmen können. Deshalb entspricht die in „N“ Qubits gespeicherte Informationsmenge der Datenmenge, die in „2^N“ klassischen Bits gespeichert sind.
Ausgedrückt in leichter verständlichen Datenspeichermengen sind 3 Qubits gleich 8 Bit (1 Byte), während 13 Qubits gleich 8192 Bit (1 Kilobyte) sind. Das heißt: Zum Speichern von 1 Terabyte (8,8x10^12 Bit) Daten mit Qbits bräuchte man davon nur 43!
Aufgrund dieses dramatischen Vorteils bei der Rechenleistung eignen sich Quantencomputer besser für komplexe Computingprobleme. Dazu zählen Optimierungsprobleme wie etwa die Simulation chemischer Reaktionen, die Erkennung von Drogen, Multistopp-Logistik und KI-Algorithmen. Beim Training autonomer Fahrzeuge bedeutet das, dass Quantencomputer weitaus mehr Trainingsdaten speichern und verarbeiten können als ein traditionelles Rechenzentrum. Dadurch lässt sich das Modell mit mehr Daten anlernen und man erhält in kürzerer Zeit ein genaueres Modell.
Im Jahr 2019 experimentierte Google mit einem 54-Qubit-Prozessor namens „Sycamore“ an einem Computingproblem, für dessen Lösung der schnellste Supercomputer der Welt rund 10.000 Jahre brauchen würde. Sycamore absolvierte das Experiment in 200 Sekunden. In einer Anwendung zum Training eines KI-Modells für ein autonomes Fahrzeug könnte ein Quantencomputer 10.000 Jahre von Trainingsdaten in 200 Sekunden verarbeiten und dadurch unendlich mehr Möglichkeiten für AV-Modelltrainer eröffnen.
Was ist Quanten-KI?
KI ist die moderne Grenze von Software. KI hat heutzutage sehr viele Facetten und Subgenres, steckt aber noch in den Kinderschuhen gemessen an seinem vollen Potenzial, und die Entwicklung von KI verläuft oft langsam.
Trainingsmodelle für künstliche Intelligenz sind unglaublich komplex in der Entwicklung, Handhabung und Iteration. Oftmals dauert die Ausführung solcher Algorithmen je nach ihrer Komplexität Stunden, Tage, Wochen oder sogar Monate. Heute gilt das Wettrennen im Bereich der autonomen Fahrzeuge um die Krone der vollen Autonomie als die Speerspitze von KI und hat seit langer Zeit den Boden für zahlreiche KI-Trainingsmodelle geebnet. Quanten-KI kann die Lösung sein, die den Trainingsmodellen für autonome Fahrzeuge über die Ziellinie verhilft.
Ziel der Quanten-KI ist es, moderne KI von den Beschränkungen des traditionellen Computings zu entlasten. Die meisten KI-Einsatzfelder stützen sich auf maßgeblich auf Optimierungsalgorithmen und -modelle. Die dafür erforderlichen Trainingsmodelle lassen sich aber mit den begrenzten Möglichkeiten des traditionellen Computings vielfach nicht effizient durchführen.
Quantencomputing könnte schon bald genutzt werden, um schnellere Berechnungen für wichtige und schwierige Rechenprozesse bereitzustellen und die Grundlagen des Computings um neue Erkenntnisse zu bereichern.
Das Training des neuronalen Netzwerks eines autonom fahrenden Tesla erfordert beispielsweise eine nicht vorstellbare Parallel-Rechenleistung und massenhafte Datensätze. Tatsächlich sammelt Tesla täglich Daten in Terabyte-Größe als Mittel zum Training seiner autonomen Fahrzeugalgorithmen. Die Rechenzentren, die solche neuronalen Netzwerk moderner selbstfahrender Autos trainieren, können dies dabei wegen des beschränkten Computing-Durchsatzes der Hardware oftmals nur in Teilbereichen ihres neuralen Netzwerks tun.
In diesem Beispiel wäre wahrscheinlich ein vollständiges erneutes Trainieren des gesamten neuronalen Netzwerks von Tesla bei weitem zu ineffizient. Ein einziger Quantencomputer kann dagegen höhere parallele Verarbeitungsgeschwindigkeiten erreichen als jedes Rechenzentrum auf dem Planeten. Dadurch empfiehlt sich Quantencomputing als natürliche Wahl für komplexe neuronale Netzwerke wie bei Tesla, deren Training es auf Minuten verkürzen kann.
Die Herausforderung beim Quantencomputing
Die Software für Quantencomputing liegt heute bislang weit hinter den Möglichkeiten der Hardware. Denn quantenbasierte KI steht sich erst am Anfang und wird durch klassische Trainingsalgorithmen und Computingmethoden eingeschränkt, die sich seit 1936 langsam entwickelt haben. Wegen der grundlegenden Computingmethoden (Bits gegenüber Qubits) kann der inhärente Wert dieser Trainingsalgorithmen mit einem Quantencomputer nicht ausgeschöpft werden.
Deshalb müssen neue Quantenalgorithmen entwickelt werden, um die Verarbeitungsleistung von Quantencomputern nutzbar zu machen. Hier wurden bereits signifikante Fortschritte bei Quantenalgorithmen auf der Basis von maschinellem Lernen erzielt. Ein Beispiel ist der HLL-Algorithmus (Quantenalgorithmus für lineare Gleichungssysteme).
Die Forschung befasst sich erst seit Kurzem mit Quantenalogorithmen zum Training tiefer neuronaler Netzwerke, die sich eines Tages als nützlicher erweisen könnten. Eines steht jedenfalls fest: Wenn die Entwicklung und Iteration von Algorithmen zum Training von Quanten-KI erst einmal in Fahrt kommt, dann werden Quantencomputer unvorstellbare Verarbeitungsgeschwindigkeiten erreichen – ein Durchbruch, der nur zum Trainieren der nächsten Generation autonomer Fahrzeuge oder computerbasierter Chemie beitragen kann, sondern sogar zur Simulation zukünftiger Quantensysteme.