In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Versuche, einen Arbeitsstandard für die Verbindung von Heimgeräten und somit für die Einführung eines Smart-Home-Konzepts zu schaffen.
Ohne Branchenstandard und Zusammenarbeit arbeiten die für verbundene Heimstätten und Büros verkauften Geräte nur zusammen, wenn sie vom selben Hersteller stammen oder einem der Dienstanbieter oder Internetunternehmen zustimmen.
Ein intelligenter Lautsprecher kann etwa mit Amazon Alexa und Google Home kompatibel sein. Trotzdem müssen noch die Software und Sicherheitsfunktionen der jeweiligen Plattformen aktiviert werden. Nest-Kameras von Google können nicht dieselbe Plattform wie Blink von Amazon verwenden. Umgekehrt kann ein Gerät, das Apple Home nutzt, nicht mit Geräten kommunizieren, die sich außerhalb der geschlossenen Apple-Plattform befinden.
Für Nutzer ist das unglaublich frustrierend, da sie sich zwischen zwei Dienstanbietern entscheiden müssen. Ihre Auswahl wird auf diejenigen beschränkt ist, die von derselben Plattform unterstützt werden.
Aus diesem Grund entschlossen sich die drei großen Internetunternehmen und Samsung im Dezember 2019, eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel zu bilden, die Barrieren zwischen ihren Silos zu entfernen und sich auf ein gemeinsames Protokoll zur Verbindung, Sicherung und Verwaltung vernetzter Home-Geräte und -Anwendungen zu einigen.
Unter der Federführung der Zigbee Alliance, mittlerweile die Connectivity Standards Alliance, entstand die Arbeitsgruppe „Connected Home over IP“ (Project CHIP). Später wurde das Projekt 2020 in „Matter“ umbenannt.
Matter basiert auf dem gemeinsamen Glauben, dass Smart-Home-Geräte sicher, zuverlässig und übergangslos nutzbar sein sollten. Mitglieder der Alliance entwickelten und implementierten dieses neue, einheitliche Verbindungsprotokoll auf der Grundlage eines Open Source-Modells. Die Idee besteht darin, Geräte plattformübergreifend zu sichern und geschlossene Plattformen für Nutzergeräte zu eliminieren.
Zu diesem Zweck schlägt Matter eine transparente Kommunikation zwischen allen Home-Assistenten und -Plattformen vor, darunter Alexa, Google Assistant, HomeKit by Siri, SmartThings und andere. Sie funktioniert außerdem mit verschiedenen Kommunikationsstandards wie etwa Ethernet (802.3), Wi-Fi (802.11), Thread (802.15.4) und Bluetooth Low Energy. In Erwägung gezogen werden auch weitere Low Power Wide Area Networks (LPWAN) wie LoRaWAN, Zigfox und die IoT-Standards CAT-M und NB-IoT für Mobilgeräte.
Neben den Gründern zählen mittlerweile auch bekannte Unternehmen wie Ikea, Comcast, Huawei, Texas Instruments, Resideo und Somfy zu den Mitgliedern der Alliance.
Das Ziel des Projekts besteht darin, die Entwicklung kompatibler Geräte mit anderen Smart-Home-Diensten zu erleichtern. Daher umfasst ein GitHub-Repository Dokumente und Quellencode, die von Nutzern unabhängig davon verwendet werden können, ob sie formale Mitglieder der Organisation sind oder nicht.
Sicherheit nach Design
Die Sicherheit war von Anfang an eine der Grundlagen von Matter. Die Erstellung einer offenen Plattform, mit der sich zahlreiche Hersteller vernetzen können, macht ohne eine zuverlässige Authentifizierung, Onboarding und Sicherheit keinen Sinn.
Der Matter-Standard ist mit dem TPM-Standard vergleichbar, der neue Maßstäbe für die Sicherheit von PCs gesetzt hat. Er soll Hersteller von Smart-Home-Geräten dabei unterstützen, die Sicherheit ihrer Produkte erheblich zu steigern, die Kosten unter Kontrolle zu behalten und unnötige Komplexität mithilfe nutzerfreundlicher, hardwarebasierter Sicherheitsfunktionen zu vermeiden.
Aus diesem Grund zählten Unternehmen wie NXP Semiconductors und Infineon Technologies, Vorreiter in Sachen Hardware- und Softwaresicherheit, zu den ersten Partnern und Mitgliedern des ursprünglichen Project CHIP.
Infineon: „CHIP bietet einen bislang nicht gekannten Professionalismus, wenn es darum geht, neue Geräte in Heimnetzwerke einzubinden. Die Identität eines Geräts kann nun mithilfe hardwarebasierter Sicherheitsfunktionen vom Design bis zum End of life gespeichert und aktualisiert werden. Mit hardwarebasierten Sicherheitsfunktionen können Sie unsichere Passwörter ablösen, die Integrität von Geräten durch geschützte Firmware-Updates wahren und private Daten mithilfe moderner Datenverschlüsselung schützen.“
Jedes zertifizierte Gerät wird vom Hersteller mit eindeutiger Identität und integrierten Sicherheitsfunktionen bereitgestellt. Die Einbindung dieses Geräts in ein Smart-Home könnte kaum einfacher sein. Dem Nutzer bleibt es erspart, komplizierte Passwörter für seine Geräte zu verwalten und zu aktualisieren.
„Project CHIP definiert Sicherheit als einen ‘fundamentalen Design-Grundsatz’. Dies bedeutet, dass die Arbeitsgruppe kontinuierlich nach neuen Wegen sucht, die Sicherheit zu verbessern“, sagt NXP. „Das Ziel besteht darin, die Resilienz des Smart-Homes zu steigern und die Anzahl von Angriffspunkten vernetzter Geräte zu reduzieren. Sicherheit ist einer der Gründe dafür, dass IP die Grundlage für Project CHIP ist, da IP auf dem Markt bewährte Algorithmen und Infrastruktur umfasst, mit denen Routing, Switching und Firewalling auf zuverlässige und resiliente Weise implementiert werden. Da IP darüber hinaus mit Transportprotokollen wie TCP und UDP kompatibel ist, werden Möglichkeiten geschaffen, umfassende Sicherheit und Datenschutz zu gewährleisten, wenn Geräte mit anderen Geräten, Apps oder Diensten kommunizieren.“
Für Nutzer wird es dank Interoperabilität und Zertifizierungen einfacher, Smart-Home-Produkte auszuwählen, zu installieren und zu verwenden. Die erstmalige Installation geht schnell und einfach von der Hand. Dasselbe gilt für die Einbindung neuer Komponenten. Downloads und Installationen verschiedener Softwarekomponenten für jeden Anwendungsfall gehören nun der Vergangenheit an. Für den Anschluss von Geräten sind keine zusätzlichen Geräte wie dedizierte Hubs, Gateways, Wandler und Proxys erforderlich.
Quelle: Infineon Technologies
Steve Hanna, Senior Principal bei Infineon, nennt ein Beispiel: „Angenommen, Sie kaufen eine neue Kaffeemaschine. Sie ist [Matter]-zertifiziert. Sie bringen sie mit nach Hause und können es gar nicht erwarten, den ersten Espresso zuzubereiten, auf den Sie sich den ganzen Tag gefreut haben. Es gibt keinen Grund zur Sorge. Als Erstes scannen Sie mit Ihrem Smartphone einen QR, die eindeutige Identität der Kaffeemaschine. Anschließend weiß Ihr Smartphone ganz genau, zu welchem Gerät Sie eine Verbindung herstellen möchten. Anschließend drücken Sie auf eine Taste an der Kaffeemaschine und es wird ein automatisierter Onboarding-Prozess eingeleitet. Ihr Smartphone und Ihre Kaffeemaschine verbinden sich drahtlos. Sie führen verschiedene Authentifizierungs-, Attestierungs- und Konfigurationsschritte durch. Am Ende wurde Ihre Kaffeemaschine vollständig per Smartphone verifiziert und mit allen Informationen versorgt, die es benötigt, um sich mit Ihrem Heimnetzwerk zu verbinden und einwandfrei zu arbeiten. Es werden keine Schritte von [Matter] übersprungen. Wir verwenden moderne Sicherheitsfunktionen. Doch dank des Design ist auch die Nutzerfreundlichkeit erstklassig.“
Des Weiteren wird von Matter garantiert, dass es sich bei dem gekauften Produkt um ein Original des Originalherstellers handelt und nicht um eine Kopie, die Ihr Heimnetzwerk beschädigen und die Sicherheit Ihres Netzwerks beeinträchtigen könnte. Dasselbe gilt auch für Nachfüllpackungen wie Druckerpatronen und Ersatzteile.
Die ersten Matter-zertifizierten Heimgeräte kommen voraussichtlich im vierten Quartal dieses Jahres auf den Markt – gerade rechtzeitig zur Weihnachtszeit.